Rolle und Verantwortung: Wie kommuniziere ich als Führungskraft?
(Leise. Quelle: Anja Liefting)
Im nachfolgenden finden Sie Auszüge aus dem Vorwort zu “Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte“, Friedemann Schulz von Thun.
In dem Maß, wie wir es mit Menschen zu tun bekommen, bekommen wir es auch verstärkt mit uns selbst zu tun. «Mit sich selbst und anderen klarkommen»: Das ist das Ziel der so genannten sozialen Kompetenzen, die nun gleichgewichtig oder sogar vorrangig neben die Fachkompetenzen zu treten haben.
Die Bedeutung der sozialen Kompetenz im Berufsleben ergibt sich aus dem Umstand, dass bei gleicher Qualität und gleichen Preisen der Produkte der menschliche Faktor zum Zünglein an der Waage des Wettbewerbs wird. Wer beim Kunden besser «ankommt», wem es gelingt, in der Qualität der Zusammenarbeit Synergie-Effekte hervorzubringen, wer die Motivation der Mitarbeiter hebt und Krankenstand, Fluktuation und innere Kündigungen senkt, wer also ein hervorragendes Mannschaftsspiel aufzubauen in der Lage ist, der wird im schärfer gewordenen Wettbewerb die Nase vorn haben. … Auf jeden Fall aber gehören Humanität und Effektivität, gehören Menschlichkeit und Professionalität in einer lebenswerten Welt zusammen; auch und gerade für eine zweckrational ausgerichtete Führungskraft wird es unerlässlich, die kluge und sensible Gestaltung der menschlichen Beziehungsebene als Teil der professionellen Aufgabe zu begreifen.
Für all die notwendigen Prozesse der Aufgabenverteilung, der Zielvereinbarung und Leistungsbewertung, der Motivation und Zusammenarbeit, der Gestaltung des Wandels – für all dies wird die Qualität der Gesprächskultur entscheidende Bedeutung bewahren. Und wer prägt die Gesprächskultur am stärksten? Ganz gewiss die Führungskraft, jedenfalls innerhalb des Teams, der Abteilung!
Gespräche und Auseinandersetzungen sind aber auch riskant. Manches wird viel schlimmer, wenn man darüber redet. Manche zwischenmenschliche Komplikation entsteht erst, während man über etwas spricht. Vor dem Gespräch war man vielleicht nur unterschiedlicher Meinung über irgendetwas, nach dem Gespräch ist man befremdet, entsetzt und verzagt über die Art und Weise, wie man sich vom anderen behandelt fühlt. Jetzt entstehen erst die richtigen Gräben! Wäre es nicht vielleicht doch besser, möglichst wenig miteinander zu reden? Auch dies ist kein Ausweg: Worüber man nicht rechtzeitig gesprochen hat, das kommt knüppeldick durch die Hintertür wieder herein. Aus Kontaktlosigkeit entstehen Befremden und aus Befremden nicht selten Feindseligkeit und Intrigen. Nein, der sachliche und menschliche Erfolg einer Führungskraft steht und fällt damit, dass sie mit den Leuten redet.
Aber kann man das denn lernen? Ist der gute Umgang miteinander, das Etablieren einer fruchtbaren Gesprächskultur, ist die dafür notwendige Kontakt- und Beziehungsfähigkeit nicht etwas, was man entweder hat oder nicht hat? Ist nicht die Art, wie jemand mit sich selbst und anderen umgeht, sehr in seiner Natur, in seiner Art des Menschseins verankert? Können in diesem Bereich Schulungsprogramme überhaupt «greifen»?
Die Antwort lautet: Ja und Nein. Zu einem hohen Anteil führe ich so, wie ich bin, und nicht nach Maßgabe psychologischer Lehrinhalte oder geschulter Verhaltensweisen. Hoffentlich, denn im Umgang mit Menschen zählt das Wahrhaftige. Alles Antrainierte und Gekünstelte ist für die Gestaltung und Aufrechterhaltung intakter Beziehungen eine Gefahr. … daher lohnt es, sich mit der Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation näher zu befassen, sofern man bereit ist, diese Inhalte und Modelle nicht nur mit dem Verstand zu erfassen (als etwas, was man sich schnell und effektiv «draufschafft»), sondern auch wirklich an sich herankommen zu lassen. Dann (und nur dann) sind beachtliche Fortschritte möglich, können der Profi und der Mensch gleichermaßen profitieren und ein harmonisches Duo werden. Das zeigen Mut machende Erfahrungsberichte.
‚Stimmige Führung‘ aus kommunikationspsychlogischer Sicht
Im nachfolgenden finden Sie Auszüge aus “Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte“, Friedemann Schulz von Thun, S. 13 ff.
Zum einen geht es für Führungskräfte darum, im Spannungsfeld von Humanität und Effektivität, den in ihrem Alltag sehr unterschiedlichen, nicht selten auch gegensätzlichen Anforderungen gerecht zu werden
Es gilt also, die jeweiligen positiven Werte – Effektivität und Humanität – so auszubalancieren, dass man auf Dauer weder in das eine noch in das andere Extrem abrutscht, denn, stehen Sie in einem positiven Spannungsverhältnis, können sie eine gelungene Ergänzung bilden.
In diesem Sinne geht es um das Anstreben des Ideals der so genannten Souveränität 2. Ordnung, einem Führungs-Verständnis von Professionalität, die ein menschliches Antlitz trägt, die menschliche Schwächen und Fehlbarkeiten, menschliche Empfindlichkeiten und momentane Verwirrtheiten einschließt, also die Verbindung von Professionalität und Menschlichkeit. (Wer auf Souveränität 1. Ordnung aus ist, der versucht immer “Herr der Lage zu sein“, jede Situation optimal zu meistern, sich keine Blöße zu geben, unangreifbar und unverwundbar zu sein, kurzum: ein perfekter Profi, der keine menschlichen Schwächen, Verwundbarkeiten kennt, der durch nichts und niemanden zu beirren ist, der sich keine Nachdenklichkeit anmerken lässt.)
Zum zweiten geht es darum, sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Rollenanforderungen, von “oben“ und von “unten“ (so genannte “Sandwich-Position“, ggf. führt dies auch zu einem Intra-Rollen-Konflikt) zurechtzufinden, indem die Führungskraft die Rolle(n), ihre Rolle annimmt, sich ihrer bewusst wird, ihre eigene Linie entwickelt, dass sie wirklich führen will und vom Sinne guter Führung überzeugt ist.
Sie sollte eine klare Vorstellung davon haben, was sie als ihre Aufgabe sieht und was nicht, wo sie anderen entgegenkommt, wo sie ihre Grenzen zieht und was sie ihrerseits von anderen erwartet.
Hier hilft nur die aktive Auseinandersetzung mit der Rolle, um eine klare Linie, ein Selbstverständnis zu entwickeln, mit dem man diese Rolle(n) ausfüllen will und durch die Entwicklung eines klaren Rollen-Selbstverständnisses zum handelnden Subjekt zu werden.
Ein klares Rollenverständnis ist das A und O gelungener Kommunikation ist. Wer das «Was» nicht klar und deutlich vor Augen hat, kann im «Wie» nichts wettmachen. Das «Was» fällt einem nicht mit der Rollenübernahme in den Schoß, sondern will in reflektierter Auseinandersetzung mit der Rolle entwickelt und mit dem eigenen Selbst verträglich sein.
Eine klare Linie haben bedeutet nicht sturer Eigensinn nach dem Motto «Ich gehe meinen Weg, egal was ihr dazu sagt oder denkt». Der eigene Standpunkt hat sich immer auch im Dialog zu bewähren. Auch hier heißt es für die Führungskraft, wieder die Balance zu halten: Ein klares Rollenverständnis muss sich mit einer dialogischen Haltung verbinden, mit der Bereitschaft, sich infrage stellen und belehren zu lassen: «Die Wahrheit beginnt zu zweit!»
Zum dritten gilt es, als Führungskraft den typischen zwischenmenschlichen Teufelskreis, der zwischen Führungskräften und ihren Vorgesetzten entstehen kann, zu durchbrechen …
… und im Sinne der Souveränität 2. Ordnung Mit-Verantwortung, Verantwortung, zu übernehmen, zu gestalten und zu handeln.
Eine Auflösung des Teufelskreises setzt allerdings auf beiden Seiten eine beachtliche Souveränität (2. Ordnung) voraus: Nämlich auf Seiten der übergeordneten Vorgesetzten die Fähigkeit, Kritik und «Aufmüpfigkeit» auszuhalten, ja sogar zu begrüßen, ohne den eigenen Thron wackeln zu sehen. Auf der Seite der untergebenen Führungskräfte nicht nur den Mut und die Courage, sich auch einmal unbeliebt zu machen, sondern auch die Fähigkeit, eine Kritik so vorzutragen, dass der Adressat sich nicht missachtet oder sogar verachtet fühlt, sondern gewürdigt in seinen Anstrengungen und in dem, was er erreicht hat. Anerkennung und Kritik so miteinander zu verbinden ist zwar eine seltene Gabe, aber eine, die man lernen kann und die auch in vielen anderen Lebenssituationen zur entwickelten Menschlichkeit dazugehört.
Dadurch, dass man sich nicht mehr nur als “armes Opfer“ sieht, wird deutlich, dass eine Veränderung auch aus der eigenen Position möglich ist. Das heißt also, dass jeder innerhalb eines Unternehmens Verantwortung trägt und gleichzeitig auch Veränderungsmöglichkeiten hat. Keiner ist allmächtig, keiner ist ohnmächtig. Jedem ist es möglich, die Grenzen seiner Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern. Jeder muss aber auch akzeptieren, dass sein Einfluss innerhalb des komplexen Systems eines Unternehmens begrenzt ist.
“Stimmige Führung“ in Bezug auf die Frage: Wie kommuniziere ich richtig in der Führungsrolle? hat demzufolge drei Komponenten:Konkret kann natürlich jede Führungskraft zuallererst «vor ihrer eigenen Tür kehren», also in ihrem Verantwortungsbereich, der eigenen Abteilung oder Gruppe, Veränderungen herbeiführen, denn die Veränderung im eigenen Team verspricht den größten Erfolg, da ja dort der Einfluss am größten ist.
- wesensgemäß, d. h. in Übereinstimmung mit mir selbst,
- system- und situationsgerecht, d. h. in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Kontext,
- metakommunikativ, d. h. in Auseinandersetzung mit den Rollenpartnern über das «Wie» der gemeinsamen Kommunikation und Kooperation. Denn was für mich «stimmig» ist, kann für dich entsetzlich sein – wohl uns beiden, wenn wir darüber reden können, und wehe uns, wenn nicht!